Neuorientierung

Der Wunsch, etwas in der Welt zu hinterlassen, ist menschlich, aber nicht ausschließlich durch ein Kind realisierbar. Frauen und Männer ohne Kinder müssen sich nur viel bewusster die Frage stellen, was sie in ihrem Leben hervorbringen wollen. Diese Lebensrealität birgt auch eine große Chance, nämlich die, sich bewusst mit den eigenen Lebenszielen auseinander zu setzen – aber auch mit den Grenzen und der Endlichkeit des Lebens.

Die Vorstellung, in Kindern weiterzuleben – in deren Angedenken, in Charaktereigenschaften, Gesichtszügen oder indem sie das eigene Lebenswerk fortsetzen – kann tröstlich sein und dem Dasein einen Sinn geben. Ist die Zeit gekommen, von dieser Welt zu gehen, hinterlassen Eltern etwas Bleibendes und wirken durch ihre Kinder in die nächste Generation hinein.

Frauen und Männer ohne Kinder geben zwar ihre Erbinformationen nicht weiter, aber wie sie gelebt haben, kann sehr wohl über ihren Tod hinaus Bestand haben. Es muss nichts Großes oder Materielles sein und es ist nicht an Gene oder an einen Familiennamen gebunden. Sie können das Leben anderer bereichern und deren persönliche Entwicklung unterstützen, zum Beispiel als gute Freundin, faire Kollegin, Vorbild, Tante. Aber es ist durchaus auch ein Lebenskonzept, sich in den Mittelpunkt des eigenen Lebens zu stellen und sich für die ungewollte Kinderlosigkeit einen Ausgleich zu schaffen.

Abschied vom Kinderwunsch – ein neues Lebenshaus bauen

Wenn sich das Wunschkind – mit oder ohne medizinische Unterstützung – nicht einstellt, bedeutet das für viele Frauen und Männer, sich von diesem Lebenstraum zu verabschieden und neue Zukunftspläne zu entwickeln. Für die meisten ist das ein schmerzlicher Prozess. Nicht ein Vorhaben wird zerschlagen, sondern eine ganze Lebensperspektive. Doch es gibt ein Leben nach dem Hoffen. Dann, wenn die Trauer und der Abschied genügend Raum bekommen haben, gelingt es vielen Kinderwunschpaaren, gestärkt aus dieser Zeit hervor zu gehen.

In Deutschland ist fast jedes 10. Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Dennoch glauben viele, dass man sich im 21sten Jahrhundert mit ungewollter Kinderlosigkeit nicht mehr abfinden muss. Sollte sich das Wunschkind auf natürlichem Weg nicht einstellen, gibt es immer noch die Fertilitätsmedizin. Doch längst nicht bei allen Hilfesuchenden führen die Behandlungen zu dem gewünschten Erfolg. Und viele Frauen und Männer bleiben am Ende allein mit ihrer Trauer, Ver-zweiflung und Perspektivlosigkeit. Zudem ist ungewollte Kinderlosigkeit immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft und oft auch im Freundes- und Familienkreis. Frauen und Männer, deren Kinderwunsch sich nicht erfüllt hat, müssen sich dem schmerzlichen Prozess des Abschiednehmens stellen und sich mit der Vergangenheit und der Zukunft aussöhnen, obwohl sie noch nicht wissen, wie das andere, das neue Leben aussehen soll.

Studie zur Lebenszufriedenheit von ungewollt kinderlosen Paaren

Ende 2000 veröffentlichten die Universitäten Freiburg im Breisgau und Jena die eine zweijährigen Studie die zu dem Ergebnis kam, dass Kinder keine Garantie sind für ein glückliches, erfülltes Leben. 214 Kinderlose und ebenso viele Eltern im Alter zwischen 43 und 65 Jahren wurden befragt und die Auswertung brachte zum Vorschein: Paare ohne Kinder sind nicht unglücklicher oder weniger sozial eingebunden als Paare mit Kindern. Sie leiden auch keineswegs häufiger an depressiven Verstimmungen oder psychosomatischen Erkrankungen.

Diese Erkenntnisse sollen jedoch keinesfalls dafür herhalten, den Schmerz und die Trauer von Frauen und Männern mit unterfülltem Kinderwunsch herunterzuspielen. Sie wurden der Möglichkeit beraubt, eine von der Natur vorgesehene elementare Erfahrung zu machen – sich fortzupflanzen. Dennoch stellen viele Frauen und Männer rückblickend fest, dass jeder für sich an dieser Krise gewachsen und die Beziehung noch inniger geworden ist. Gedanken an Trennung, die während des Hoffens auf ein Kind vielleicht irgendwann einmal aufgetaucht waren, sind in der Regel kein Thema mehr.

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Tipps

Folgenden Fragen können dazu beitragen, einen Plan B zu kreieren. Nehmen Sie sich die Zeit dazu.

  • Was waren meine Träume, Erwartungen, Leidenschaften, bevor ich meine/n Partner/in getroffen habe?
  • Wie hat unser Leben ohne Kind ausgesehen?
  • Was waren unsere Gemeinsamkeiten, was haben wir zusammen unternommen, was hat uns Freude bereitet?
  • Für was habe ich gebrannt, bevor ich den starken Wunsch verspürt habe, ein Kind zu bekommen?
  • Was habe ich/haben wir auf Eis gelegt, was/wir früher gerne gemacht habe/n? Und was davon wollen wir davon wieder aufleben lassen?
  • Gab es einen Plan B? Wenn ja, wie sah dieser aus?

Setzen Sie sich mit diesen Fragen als Paar, aber auch alleine auseinander und halten Sie Ihre Antworten nach Möglichkeit schriftlich fest oder finden Sie Symbole, die das zum Ausdruck bringt, was Sie wieder aufleben lassen wollen.